Vier Augenpaare von unterschiedlichen Personen sind horizontal übereinander angeordnet und farbig beleuchtet: oben lila, darunter gelb, blau und grün. Rechts daneben steht „Woche des Sehens 2025“ in blauer Schrift auf einem Farbverlauf von gelb über blau zu rosa.

Den Durchblick behalten – Stimmen aus der Praxis zur Woche des Sehens

Jeder Mensch hat Anspruch auf eine passende Sehhilfe. Denn ohne Sehen ist Teilhabe schwer – und Einsamkeit nicht fern.

So lässt sich die Botschaft des Projektes „Den Durchblick behalten“ zusammenfassen. Seit Jahren unterstützen die Vinzenz-Konferenzen im Erzbistum Paderborn damit finanziell schlechter gestellte Menschen in Deutschland und anderen Ländern dabei, eine passende Brille zu erhalten.

In Zusammenarbeit mit „Brillen weltweit“ haben sie bereits hunderten Menschen durch Brillen zu mehr Selbstständigkeit und Teilhabe am Leben verholfen.

Die Woche des Sehens vom 08. bis 15. Oktober 2025 ist für die Engagierten der Vinzenz-Konferenzen daher der Anlass, mit Menschen zu sprechen, für die Sehen – sei es aufgrund von Alter oder körperlichen Einschränkungen – nicht selbstverständlich ist.

Von ihnen wollten die Vinzenz Brüder und Schwestern wissen, was Sehen für sie bedeutet.

Ohne Lesen bekomme ich nicht mit, was in der Welt vorgeht

Zwei Personen stehen vor einer Wand mit Plakaten, die große Augen und Brillen zeigen. Eine Person trägt ein rotes Polohemd und hält eine Pappbrille vors Gesicht, die andere einen grauen Blazer und hält ebenfalls eine Pappbrille. Auf den Plakaten stehen Slogans wie „Welche Augen fragst du dich?“ und „Den Durchblick behalt“. Links im Bild ist ein Ständer mit den Worten „Kreativ“, „mutig“ und einem Logo.

Im ersten Interview spricht das Vinzenz-Team mit Christa. Sie ist 95 Jahre alt und liest jeden Tag sehr viel. Auch wenn ihre nachlassende Sehkraft das nicht einfach macht.

Das Interview führte Matthias Krieg von den Vinzenz-Konferenzen.

Frage: Wie steht es um Dein Sehvermögen?

Antwort: Auf einem Auge bin ich total blind, auf dem andern kann ich nur verschwommen sehen. Ich kann Dich also als Kontur sehen, aber nicht genau erkennen. Deswegen geh ich auch gar nicht mehr gern in die Stadt, weil ich die Leute nicht erkennen kann und die dann bestimmt meinen, ich würde sie einfach ignorieren.

Frage: Du liest ja bis heute gern? Wie kann das bei der Sehstärke funktionieren?

Antwort. In der Bücherei gibt es Großdruckbücher. Also ich meine die Großdruckbücher, die wirklich welche sind mit großen Buchstaben, aber auch den richtigen Zeilenabständen. Darauf kommt’s ja auch an.

Leider führt die Bücherei aber nicht viele dieser Bücher. Die hab ich jetzt alle schonmal ausgeliehen und durch. Könnte ich natürlich auch nochmal lesen, aber das ist ja nicht so interessant…

Eine ältere Person sitzt an einem Tisch und löst mit einer Lupe ein Kreuzworträtsel in einem Buch. Auf dem Tisch liegen weitere Lupen und ein aufgeschlagenes Buch mit einer Begriffsliste. In der Mitte des Rätsels steht der Ausdruck „auf einen Streich“.

Frage: Was ist mit der Tageszeitung?

Antwort: Das geht nur mit Lupe. Also meine Lesebrille hab ich trotzdem noch zusätzlich auf.

Ich habe drei Lupen: die eine fokussiert sehr stark. Aber ich kann damit wirklich nur ein , zwei Worte vergrößert sehen. Das geht mit der größeren Lupe, die mehrere Worte vergrößert, natürlich besser.

Und mit meiner größten Lupe noch besser. Aber die ist auch schwer. Da merk ich, dass ich die nach ner Zeit mit meinem kaputten Handgelenk nicht mehr gut halten kann.

Frage: Gerade sitzt Du an einem Kreuzworträtsel, geht das denn gut?

Antwort: Das geht mit der kleinen Lupe gar nicht, da seh ich ja nur ein Wort, aber die Kästchen für die Buchstaben nicht. Da muss die große Lupe her.

Frage: Was ist denn mit Hörbüchern?

Antwort: Ne, nicht so was Elektrisches. Wenn ich lese, brauch ich was Richtiges zum Blättern.

Wir danken Christa für ihre Zeit und die Antworten!

Bei Barrierefreiheit herrscht noch Nachholbedarf

Eine Person mit weißem Langstock geht auf einem taktilen Bodenleitsystem in einem modernen Gebäude. Der Boden zeigt erhabene Linien und Punkte zur Orientierung für sehbehinderte Menschen. Im Hintergrund sind Möbel und eine rote Wand zu erkennen.

Dietmar (59, Name auf Wunsch geändert) ist ein fröhlicher und optimistischer Mensch. Er wird von seinen Freunden, Nachbarn und Kollegen aufgrund seiner großen Hilfsbereitschaft und seines heiteren Gemüts sehr geschätzt.

Seit fast 22 Jahren ist er glücklich mit seiner Frau Monika verheiratet. Beruflich ist er in der Telefonzentrale einer Bank tätig. In seiner Freizeit interessiert er sich u.a. für alte Dampflokomotiven und hört gern Rock- und Popmusik.

Ein ganz normales Leben könnte man meinen, wäre da nicht seine Sehbehinderung.

Seit seinem 16. Lebensjahr leidet Dietmar unter einer genetisch verursachten Erkrankung seines Sehnervs, der sogenannten Leberschen Optikusneuropathiedie (LHON). Benannt wurde die Krankheit nach dem Augenarzt Theodor Leber, der die Krankheit 1876 erstmals beschrieben hat.

Die Krankheit ist nach derzeitigem Stand der Medizin nicht heilbar. In Deutschland erkranken jährlich rund 80 Frauen und Männer an LHON. In einem Interview hat Dietmar darüber berichtet, wie er gelernt hat, mit seiner Sehbehinderung umzugehen und trotz seines Handicaps den Alltag zu meistern.

Das Interview führte Dirk Lenschen.

Frage: Wie hat alles angefangen? Wie äußern sich die Symptome dieser Krankheit?

Antwort: Als ich 16 Jahre alt war, begann es zunächst damit, dass mein linkes Auge sehr empfindlich auf Lichtreize wie flackerndes Kerzenlicht reagierte. Auch fiel es mir immer schwerer, Farben zu unterscheiden. Hinzu kam, dass ich aufgrund auftretender dunkler Schatten im Blickfeld die Menschen und Dinge um mich herum, nur noch sehr eingeschränkt wahrnehmen konnte. Kurze Zeit später traten dieselben Symptome auch im rechten Auge auf.

Es begann eine lange Odyssee bei verschiedenen Augenärzten bzw. in mehreren Fachkliniken. Dann stand die Diagnose fest. Das war ein Schlag, den man erstmal verarbeiten muss. Ich habe dann nach und nach gelernt mit der Situation umzugehen. Das war nicht immer leicht aber entweder die Krankheit beherrscht dich oder du versuchst, die Krankheit zu beherrschen.

Frage: Welche Probleme ergeben sich durch die Sehbeeinträchtigung für Dich im Alltag?

Antwort: Ich bin ja zum Glück nicht völlig blind. Ich habe zwar ein eingeschränktes Sichtfeld und sehe nur sehr unscharf, aber Wege, die ich gut kenne, kann ich ohne große Probleme bewältigen. Aufpassen muss ich bei unerwarteten Hindernissen wie herabhängenden Ästen oder auf dem Gehweg abgestellten E-Scootern. Nervig sind manchmal auch Fahrradfahrer, die mich nur mit geringem Abstand überholen, da ich diese erst sehr spät erkennen kann.

Fahrpläne an Bushaltestellen oder mein Handy kann ich ablesen, wenn ich sehr nah ran gehe oder eine Lesehilfe benutze. Fernsehen oder Kino schauen bereitet mir in der Regel wenig Vergnügen, dafür höre ich mir lieber ein spannendes Hörbuch an.

Frage: Gibt es Hilfsmittel, die Dir den Alltag erleichtern?

Antwort: Ja, es gibt eine Reihe bewährter Hilfsmittel, die es mir ermöglichen, besser Sehen bzw. Lesen zu können, hierzu gehören vor allem verschiedene digitale Lupen und Fernrohre. Daneben habe ich auch einen sogenannten Blindenstock, den ich aber hauptsächlich nur dann benutze, wenn ich allein unterwegs bin und unbekannte Wegstrecken bewältigen muss. Darüber hinaus gibt es heute sehr gute computergestützte Möglichkeiten, um Texte in Sprache umwandeln zu können.

Frage: Welche Unterstützung wünscht du dir von deinen Mitmenschen bzw. von der Gesellschaft?

Antwort: In erster Linie wünsche ich mir Akzeptanz, dass man einfach ganz unbefangen mit mir umgeht. Ich bin zwar in meiner Sicht eingeschränkt, habe aber sonst keine kognitive oder geistige Einschränkung. Dann ist es für mich auch hilfreich, wenn z.B. Bürgersteige, Straßenübergänge, Bushaltestellen oder Bahnsteige durch spezielle Markierungen auf dem Boden für sehbehinderte Menschen gekennzeichnet sind.

Da herrscht auf jeden Fall noch Nachholbedarf. Und sehr hilfreich wäre auch, wenn die Menschen öfter darüber nachdenken würden, welche Folgen z.B. ein auf dem Gehweg abgestelltes Fahrrad oder E-Scooter für sehbehinderte Menschen haben kann.

Wir danken Dietmar für seine Zeit und die Einblicke.


Danke an den Bonifatius Verlag für die Kooperation auf Instagram zum Welttag des Sehens.

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

Ein Beitrag geteilt von Caritasverband für das Erzbistum Paderborn (@caritaspaderborn)


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert