Einsamkeit ist für die Landes- und Bundespolitik eines der wichtigen Themen unserer Zeit. Dieser Eindruck entsteht sowohl durch zahlreiche Pressemitteilungen als auch durch das Projekt „Du + Wir = Eins – Nordrhein-Westfalen gegen Einsamkeit“ und die durch die Strategie gegen Einsamkeit der Bundesregierung.
Über beide Ansätze haben wir mehrfach, zuletzt in unserem Artikel „Ein Blick über den Tellerrand“, berichtet.
So positiv dieser Eindruck ist: Der schöne Schein trügt leider.
Denn den wohlklingenden Programmen und Ankündigungen mangelt es Substanz. Das wird vor allem in der fehlenden Finanzierung deutlich. Die aktuell diskutierten Sozialkürzungen im Bundeshaushalt 2025 gefährden die bereits geleistete wertvolle Arbeit gegen Einsamkeit ganz grundlegend.
Sozialkürzungen im Bundeshaushalt 2025: Einschneidende Kürzungen beim Freiwilligen Soziale Jahr
Die sieben Fachverbände, die das Projekt 7 gegen Einsamkeit gemeinsam tragen, werden die im Sozialbereich geplanten Kürzungen in ihrer Arbeit direkt zu spüren bekommen. Die Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein-Westfalen spricht von knapp 83 Millionen Euro, die im kommenden Haushalt im Sozialen gestrichen werden sollen.
Beim IN VIA Diözesanverband Paderborn betrifft das beispielsweise das Angebot des Freiwilligen Sozialen Jahres, kurz FSJ. Bereits 2024/2025 konnten aufgrund von Mittelkürzungen statt 324 nur noch 292 Plätze angeboten werden.
Susanne Bankstahl, Referentin für das Freiwillige Soziale, macht deutlich, was die jetzt geplanten Kürzungen bedeuten könnten:
„Für das Kursjahr 2025/2026 sind erneut Kürzungen der Bundesmittel, diesmal um die 14% im Gespräch. Wenn das wirklich durchkommt, werden wir weitere Plätze abbauen müssen. Dabei ist längst erwiesen: Freiwilligendienste stärken die Zivilgesellschaft und wecken das Interesse an lebenslangem Engagement.“
Auch deshalb fordern alle Freiwilligendiensteträger das Recht auf einen Freiwilligendienst einzuführen. Susanne Bankstahl weiter:
„In den letzten beiden Septemberwochen haben viele Träger mit #wegistweg deutlich gemacht, dass es für die Menschen, die von Freiwilligen in den verschiedensten Einrichtungen betreut werden, ein großer Verlust ist, wenn die Stellen wegfallen.“
Im Kontext der Einsamkeit sind das FSJ und ähnliche Programme wichtige Präventionsangebote, die einerseits sozialer Isolation entgegenwirken, andererseits Verständnis für andere Menschen schaffen und so eine emphatische und friedliche Gesellschaft möglich machen.
Sozialkürzungen verstärken soziale Isolation und Treffen Familien
Auch in anderen Arbeitsbereichen, in denen es direkt um die Unterstützung und Beratung hilfsbedürftiger Menschen geht, werden die geplanten Sozialkürzungen zu einschneidenden Veränderungen führen.
Reinhild Steffens-Schulte, Diözesangeschäftsführerin des Sozialdienst katholischer Frauen und Sozialdienst katholischer Männer im Erzbistum Paderborn, kurz SkF und SKM, formuliert es so:
„Die Haushaltskürzungen wirken sich vor allem auf Familienberatungsangebote aus. Neben fehlendem Fachpersonal in den unterschiedlichen Beratungsangeboten der Fachverbände SkF, führen die Kürzungen zu einem verzögerten Beratungsangebot.
Längere Wartelisten haben zur Folge, dass Familien und Kinder nicht mehr zeitnah unterstützt werden können. Problemsituationen verfestigen sich, der Bedarf nimmt zu!
Ohne fachliche Unterstützung kann ein Rückzug erfolgen und die Betroffene fallen in eine Situation des Allein-gelassen-Werdens. Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander nimmt ab.“
Eines hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt: Wo Teilhabemöglichkeiten zurückgehen nehmen soziale Isolation und Einsamkeit zu. Als Konsequenz bröckelt der gesellschaftliche Zusammenhalt.
Essenzielle Angebote sind gefährdet
Die Kürzungen im sozialen Sektor werden auch Auswirkungen auf den Bereich der Wohnungslosenhilfe haben. In Paderborn sind hier vor allem die Fachverbände des SKM tätig.
Wie in vielen deutschen Städten wird der knappe Wohnraum zunehmend zum Problem für junge Menschen. Sie und viele anderen suchen Unterstützung in den Beratungsstellen des SKM. Kommen die geplanten Kürzungen, wird die Beratung nicht mehr bedarfsgerecht erfolgen können.
Reinhild Steffens-Schulte sagt dazu:
„Die Jugendlichen und jungen Menschen leben perspektivlos auf der Straße und vereinsamen. Daher ist es als Fachverband SkF und SKM wichtig, auf die Lebenssituationen alleingelassener Menschen aufmerksam zu machen und die Notwendigkeit finanzieller Mittel zu benennen.
Sie sind nötig, umzunehmende Einsamkeit und deren Auswirkungen, wie unter Umständen Sucht und Krankheit vorzubeugen.“
NRW bleib sozial – auch und gerade gegen Einsamkeit
Unter dem Motto #NRWBleibSozial machen die Wohlfahrtsverbände, organisiert in der Freien Wohlfahrtspflege NRW, seit Wochen gegen die Sozialkürzungen mobil.
Im Kontext des Themas Einsamkeit lässt sich nur ein Fazit ziehen: Wenn die Arbeit gegen Einsamkeit, die Eindämmung sozialer Isolation und die Schaffung von Teilhabemöglichkeiten so wichtig sind, wie die Strategien und Initiativen auf Landes- und Bundesebene es nahelegen, müssen den Worten auch Taten folgen.
Pressemitteilungen, Fachveranstaltungen und Engagement-Förderprogramme wie 2000×1000 Euro sind wichtig, reichen jedoch längt nicht aus.
Um Einsamkeit und sozialer Isolation wirksam entgegentreten zu können, ist eine ausreichende Finanzierung der wichtigen und wertvollen Angebote der Wohlfahrtsverbände und Organisationen notwendig.
Wer hier spart, wird dafür mit fehlendem gesellschaftlichem Zusammenhalt, wachsender Entfremdung, sozialem Unfrieden und menschlichem Leiden zahlen. Eine Gleichung, die aus unserer Sicht ganz und gar nicht auf geht.
Daher appellieren wir an die Politik: Kürzen Sie wichtige und wertvolle Angebote nicht weg. Denn gegen Einsamkeit können wir nur gemeinsam ankommen.
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