„Eine Nahaufnahme einer Hand, die mit einem blauen Stift in ein Notizbuch schreibt. Im oberen rechten Bildbereich steht der Text: ‚5 Praxistipps für Projekte gegen Einsamkeit.‘ Der Hintergrund ist unscharf, was den Fokus auf die Schreibszene legt.“

5 Praxistipps für Projekte gegen Einsamkeit

635 Einträge umfasst die Übersicht „Initiativen und Angebote gegen Einsamkeit“ der Landesregierung Nordrhein-Westfalens. Diese Zahl stellt, so groß sie auch ist, nur einen Ausschnitt der zahlreichen Projekten und Angebote dar, die sich gegen Einsamkeit und soziale Isolation engagieren.

Das wachsende Engagement für mehr soziale Teilhabe und Gemeinschaft freut uns natürlich sehr. Da wir mit 7 gegen Einsamkeit seit Jahren zu diesem Thema aktiv sind, und die Arbeit unserer Fachverbände noch viel weiter zurückreicht, haben wir dazu einige Erfahrungen gesammelt.

Einen Teil davon durften wir beim Fachtag „TUT.GUT.Diakonische Schwerpunkte setzen“ in einem Workshop vermitteln. Das Thema des von der Kompetenzeinheit Diakonische Pastoral veranstalteten Fachtages war, wie könnte es anders sein, Einsamkeit.

Da der Workshop gut angenommen wurde, dokumentieren wir heute fünf Praxistipps für aktuelle oder angehende Projekte gegen Einsamkeit und soziale Isolation.

Wenn Sie weitere Tipps und Erfahrungen haben, teilen Sie diese gerne mit uns und den Mitlesenden in den Kommentaren.

1. Den Begriff Einsamkeit vermeiden

Es klingt vielleicht seltsam, doch unsere Erfahrung zeigt: Projekte, die den Begriff Einsamkeit nicht in den Vordergrund stellen, erreichen Menschen oft am besten. Das erklärt auch den Untertitel unseres Projektes: „7 Einladungen zum Leben“.

Genau auf diesen Aspekt sollten sich Organisationen und Engagierte fokussieren. Einsamkeit ist häufig negativ assoziiert und wird als Stigma wahrgenommen. Fast niemand will sich selbst aus dieser Perspektive betrachten. Das bestätigt der Malteser Ehrenamtsmonitor: Über Einsamkeit sprechen nur 33 Prozent offen in ihrem Umfeld, zwei Drittel der Befragen tun das eher nicht.

Diagramm, das zeigt, wie offen das Thema Einsamkeit im direkten Umfeld besprochen wird: 34 % der Befragten sagen ‚Eher nein‘, 26 % ‚Nein, überhaupt nicht‘, 23 % ‚Eher ja‘, 10 % ‚Ja, auf jeden Fall‘ und 7 % ‚Weiß nicht / keine Angabe‘. Darunter steht: ‚Bei 60 % der Befragten wird im direkten Umfeld über das Thema Einsamkeit (eher) nicht offen gesprochen.‘ Basis: Alle Befragten (2058).

Daher ist es sinnvoll, die Möglichkeiten und Chancen in den Vordergrund zu stellen, die das jeweilige Projekt den Menschen bietet. Drei Fragen haben sich in unserer Arbeit bewährt, um den thematischen Fokus von Projekten zu schärfen.

  1. An wen richtet sich unser Angebot?
  2. Welchen Nutzen können diese Menschen aus unserem Angebot ziehen?
  3. Wer kann an unserem Angebot Freude haben?

Die dritte Frage wird nur selten gestellt, ist aber wichtig. Denn Freude, Spaß, Gemeinschaft und Sinn sind wichtige Faktoren, um Menschen dauerhaft für ein Projekt und eine Aufgabe zu gewinnen.

Das zeigen Beispiele wie der Männertreff der Vinzenz-Konferenz Brilon. Heinz Schmidt, Mitglied des Männertreffs, drück es so aus:

„Uns tun unsere Treffen und unser Zusammensein hier gut. Da wollen wir etwas davon an andere weitergeben.“

2. Menschen über Sinn und Selbstwirksamkeit erreichen

Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist in Deutschland zwar immer noch hoch, doch das Verhältnis zum Engagement hat sich verändert.

Der Malteser Ehrenamtsmonitor zeigt: Mehr als 50 Prozent aller grundsätzlich zum Engagement bereiten Menschen wollen sich spontan entscheiden und für einen begrenzten Zeitraum mitwirken.

„Ein Diagramm zeigt die Bereitschaft zur ehrenamtlichen Tätigkeit: 46 % würden sich spontan entscheiden, nicht langfristig engagieren. 19 % würden sich als Spontanhelfer:innen registrieren lassen, 16 % eine Basisqualifizierung absolvieren. 11 % würden sich regelmäßig engagieren, 5 % sind bereits aktiv in einer Hilfsorganisation. 7 % wählen keine der genannten Tätigkeiten und 6 % geben ‚Weiß nicht / keine Angabe‘ an.“

Für Projekte gegen Einsamkeit ist das ein besonders großes Problem, denn gerade in diesem Bereich sind Beziehungsaufbau und Verlässlichkeit entscheidend.

Um Menschen für ein langfristiges Engagement zu gewinnen, müssen Organisationen ihnen zuerst Engagementangebote machen, die sie überhaupt zur Mitwirkung einladen.

Repair Cafés, wie sie beispielsweise die Caritas-Konferenzen (CKD) in Paderborn anbieten, oder die Smartphone Sprechstunden der Young Caritas zeigen, wie das gelingen kann.

Diese und anderen Angebote haben drei Kernaspekte gemeinsam:

  1. Menschen können ihre Fähigkeiten sinnstiftend einbringen und Selbstwirksamkeit erleben.
  2. Das Engagement kann dauerhaft oder temporär erfolgen.
  3. Die Engagierten erleben die Wirkung ihrer Arbeit direkt und sehen, dass sie Menschen helfen können.

Diese Kombination aus Flexibilität, Selbstwirksamkeit und direkt erfahrbarer Wirkung macht solche Engagementformate attraktiv. Auch wenn längst nicht alle Engagierten dauerhaft dabei bleiben, können sich über solche Formate doch Beziehungen und dauerhafte Engagements entwickeln.

3. An bestehenden Strukturen und Projekte andocken

Aktionen wie der Beratungsstellentag an Schulen zum Thema Einsamkeit, veranstaltet von der AG Einsamkeit des Caritasverbandes für das Erzbistum Paderborn in Kooperation mit IN VIA Paderborn, ist eines von vielen Beispielen dafür, dass Initiativen oder Projekt gegen Einsamkeit von der Kooperation mit bestehenden Strukturen profitieren.

Eindrücke des Beratungsstellentages an Schulen zum Thema Einsamkeit.

Das durften wir von 7 gegen Einsamkeit vor kurzem auch selbst erleben: Am 12. Oktober 2024 durften wir beim Aktionstag Einsamkeit in der Stadtbibliothek Paderborn zu Gast sein.

Da die Stadtbibliothek Anlaufpunkt für viele Menschen ist, konnten wir zahlreiche spannende Gespräche führen und so manches Projekt und Angebot gegen Einsamkeit vorstellen.

Organisationen und Engagierte, die gegen Einsamkeit aktiv werden wollen, sollten sich die bestehenden Strukturen und Projekte vor Ort anschauen und drei Fragen beantworten:

  1. Welche Lücken gibt es noch, die wir schließen können?
  2. Welches der bestehenden Projekte kommt für als Kooperationspartner in Frage?
  3. Was können wir sowohl den Menschen als auch den möglichen Kooperationsprojekten bieten?

Aus eigener Erfahrung: Solche Kooperationen sind sinnvoll, es ist jedoch nicht gesagt, dass die möglichen Kooperationspartnerinnen und -partner von der jeweiligen Idee begeistert sein. Das eine oder andere „Nein“ gehört bei Kooperationsanfragen dazu und sollte Engagierte nicht entmutigen.

4. Vernetzen und gemeinsam aktiv werden

Die meisten langfristig erfolgreichen Projekten verdanken ihre Wirkung auch der guten Vernetzung und Kooperation mit anderen Organisationen. Dabei geht es nicht darum, sich an bestehende Strukturen anzudocken, sondern um die Offenheit, Projekte gemeinsam mit anderen umzusetzen.

Die Initiativen und Projekte der Malteser Paderborn im Rahmen des Programms „Miteinander – Füreinander“ oder der Mittagstisch Ma(h)Zeit in Menden sind dafür hervorragende Beispiele.

Ein Teil des ehrenamtlichen Teams des Mittagstisches Ma(h)zeit in Menden.

Letzterer wird als ökumenisches Angebot gemeinsam vom SKFM Menden und der evangelischen Kirchengemeinde in Menden betrieben. Eine ökumenische Partnerschaft, die mit ihrem Angebot jede Woche zahlreichen Menschen Gemeinschaft, Teilhabe und leckere Mahlzeiten bietet.

Wenn Organisationen und Engagierte solche Kooperation eingehen wollen, sollten sich wiederum drei Fragen stellen:

  1. Welche Anknüpfungspunkte und gemeinsame Basis haben wir?
  2. Sind Intention und Ziel deckungsgleich oder sehr ähnlich?
  3. Ergänzen wir uns mit unseren Stärken und Möglichkeiten?

Fallen die Antworten positiv aus, stehen die Zeichen für ein gemeinsames Projekt gut. Es müssen jedoch nicht alle Antworten optimal sein. In der Praxis wachsen Teams, die aus Engagierten bestehen, schnell zusammen, wenn alle das gleiche Ziel verfolgen und Menschen helfen wollen.

5. Offen für neue Wege und Veränderung sein

„Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt“ dieses Sprichwort bewahrheitet sich auch in Projekten gegen Einsamkeit und soziale Isolation. Viele Projektideen verändern sich schon während der Umsetzung. Und die meisten langfristig erfolgreichen Projekte passen sich neuen Anforderungen und Bedürfnissen der Menschen an.

Wenn Sie ein eigenes Projekt im Bereich Einsamkeit vorbereiten, ist die Übersicht in unserem Artikel zum Blick über den Tellerand eine gute Inspirationsquelle. Dort haben wir Projekte und Konzepte aus unsere europäischen Nachbarländern gesammelt.

Entscheidend ist jedoch, dass Organisationen offen für Ideen, Fragen und Bedarfe der Engagierten sind. Wenn Sie den Menschen zuhören, die sich gegen Einsamkeit engagieren wollen, werden Sie auf erstaunliche Ideen und Konzepte stoßen.

Wenn Sie weitere Tipps und Erfahrungen teilen oder sich austauschen wollen, nutzen Sie dafür gerne unsere Kommentarfunktion. Sowohl wir als auch unsere Leserinnen und Leser freuen sich auf Ihre Ideen.


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